Gewerblicher Rechtsschutz für Ärzte

„Ärzte-Siegel“ - Wettbewerbszentrale erzielt Erfolg gegen Verlag

21.02.2023

Pressemitteilung zum Urteil LG München I vom 12.02.2023 - 4 HKO 14545/21 -


Sicherlich von vielen Ärztinnen und Ärzten aufmerksam und mit Interesse verfolgt, ist die Auseinandersetzung zwischen der Wettbewerbszentrale und dem Verlag des FOCUS-Magazins.

Konkret geht es darum, dass in dem einmal im Jahr erscheinenden Magazin „FOCUS Gesundheit“ eine „Ärzteliste“ erscheint. Ärzte erhalten eine Lizenz, für die ca. € 2.000,00 fällig werden ein Siegel unter der Rubrik „FOCUS EMPFEHLUNG“. Nicht wenige Ärzte benutzen dieses Siegel zu werblichen Zwecken, was im Übrigen von vornherein von der Beklagten beabsichtigt war und ist. Die Siegel zeichnen Ärzte als „Top Mediziner“ bzw. „FOCUS Empfehlung“ aus.

Von den Kriterien, die die Beklagte zur Ermittlung dieser „Empfehlungen“ und Siegel berücksichtigt, sind auch solche dabei, die auf der Empfehlung Dritter (ÄrztInnen und PatientInnen) sowie der Zufriedenheit der PatientInnen beruhen.

Die Wettbewerbszentrale hat nun den Verlag des FOCUS auf Unterlassen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Anspruch genommen. Das Gericht hat in seiner Entscheidung der Klage vor wenigen Tagen stattgegeben (Az.: 4 HKO 14545/21).

Nach Auffassung des Gerichts verstoße die Beklagte durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den ÄrztInnen werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot.

Mit den Siegeln werde bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden ÄrztInnen aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den ÄrztInnen gleicher Fachdisziplin einnehmen.

Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sogenannten „Lizenzgebühr“ vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien (des Verlages) auch als solche werbend verwendet.

Die Kammer führte dazu folgendes aus:

 Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden ÄrztInnen seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des/der VerbraucherIn eine erhebliche Bedeutung. Der/die VerbraucherIn erwarte, dass eine mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihr/ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaft aufweisen.

Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse.

Nach Auffassung des Gerichtes konnte die Beklagte auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbstständiger, nachgelagerte Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, welche der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2003, 277, „Juve-Handbuch“) zugrunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Verfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und das anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend:

Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführenderweise der Bereiche des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.

Hinzu kommt, so das Gericht, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegel gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine übliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor seien die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert worden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann Berufung einlegen zum Oberlandesgericht München.

Dieses Urteil zeigt, dass die bereits mehrfach medial behandelte Praxis, ÄrztInnen für nicht wenig Geld das Führen gewisser „Prüfsiegel“ zu gestatten, nicht ohne Weiteres lauterbar ist. Der weitere Verlauf des Verfahrens wird mit Spannung zu verfolgen sein. Zwar gilt das Urteil nur zwischen den beteiligten Parteien, also der Wettbewerbszentrale und dem FOCUS-Verlag. Allerdings besteht für ÄrztInnen die Gefahr, bei entsprechender Werbung mit den teuer erkauften Siegeln selbst auf Unterlassen in Anspruch genommen zu werden, etwa durch die Wettbewerbszentrale, eine Verbraucherzentrale oder einen konkurrierenden Marktteilnehmer.

Ob diese Rechtsprechung auch auf andere Listen etwa und gerade auch im Bereich von Rechtsanwälten und Juristen übertragbar ist, dürfte wahrscheinlich sein, bleibt aber noch abzuwarten. Denn auch hier besteht die Möglichkeit, entsprechende Siegel als „ TOP Rechtsanwalt“ oder „FOCUS Empfehlung“ zu erhalten. Die Methodiken beider Listen ähneln sich, wobei die Liste bei den Rechtsanwälten vorwiegend auf die Empfehlung durch Berufskollegen basiert.

Sind Sie Ärztin oder Arzt und wurden wegen der Werbung mit einem solchen Siegel abgemahnt? Oder hegen Sie den Verdacht, dass ein(e) KollegIn unlauter mit einem solchen Siegel wirbt?

Rechtsanwalt Frank Müller berät Sie umfassend und kompetent im Bereich des gewerblichen Rechtschutzes und hat seit rund einem Jahrzehnt eine umfangreiche Expertise auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtschutzes, also im Markenrecht, Kennzeichenrecht, Patentrecht, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht aufgebaut.



Zurück zur Übersicht