Arbeitsrecht
Diesel-Skandal: Kündigung eines ehemaligen Motorenentwicklers unwirksam
14.02.2020
Arbeitsgericht Braunschweig, Urteil vom 10.02.2020 - 8 CA 334/18 -
Die Volkswagen AG hatte im September auf Druck von US-Umweltbehörden eingeräumt, Abgastests durch die Nutzung einer sogenannten Abschalteinrichtung („Defeat Devices“) manipuliert zu haben. Stickoxid-Messwerte wurden dank der Manipulations-Software auf dem Prüfstand geringer angezeigt, als sie eigentlich waren.
Nicht zuletzt auch um das angeknackste Image in der Öffentlichkeit wieder zu verbessern, kündigte VW im Nachgang der Enthüllung einer Reihe von Angestellten, die angeblich in die Implementierung der Manipulations-Software involviert gewesen sein sollen.
Die Kündigung eines ehemaligen Hauptabteilungsleiters und Leiters der Dieselmotorentwicklung wurde nun vom Arbeitsgericht Braunschweig für unwirksam erklärt.
Der Kläger begehrte die Feststellung der Unwirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung sowie die Zahlung von rückständigem Arbeitsentgelt. Die Volkswagen AG beantragte neben der Klageabweisung hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen die Zahlung einer vom Gericht zu bestimmenden Abfindung.
Die Richter gaben der Klage statt. Nach deren Auffassung sei das Arbeitsverhältnis zu Unrecht aufgelöst worden und bestehe weiterhin. Die Kündigung scheiterte bereits an einem formellen Erfordernis, nämlich der fehlerhaften Information des Betriebsrates über die Kündigung. VW soll dem Betriebsrat den Eindruck vermittelt haben, es gebe mehrere Zeugen dafür, dass der Kläger als damalige Führungskraft im Jahre 2011 die Implementierung der Manipulations-Software in eine neue Motorgeneration angeordnet und zur Verschleierung der Problematik gegenüber den US-Umweltbehörden beigetragen habe. Im Zuge der Gerichtsverhandlung stellte sich jedoch heraus, dass es lediglich einen Zeugen gab, der sich noch dazu auf sein Aussageverweigerungsrecht berief. Zwei weitere von VW benannte Zeugen lehnte das Gericht ab, da diese an der maßgeblichen Betriebsratssitzung im Jahre 2011 überhaupt nicht teilgenommen hatten.
Die Kammer setzte den Streitwert auf € 215.000,00 fest, welcher sich größtenteils aus nicht gezahlten Vergütung zusammensetzt, den die VW AG nun nachzahlen soll.
Ein VW-Sprecher teilte mit, dass das Unternehmen weiterhin davon überzeugt sei, dass der Kläger erhebliche Pflichtverletzungen begangen habe. Eine Berufung werde derzeit geprüft.
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Arbeitsgericht Braunschweig ebenfalls die Kündigung einer Softwareexpertin für unwirksam erklärt. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.
Der oben geschilderte Fall zeigt wieder einmal eindrucksvoll, wie wichtig die Einhaltung der Formalia, auch bei einer Kündigung gegenüber leitenden Angestellten, die grundsätzlich nur über einen abgeschwächten Kündigungsschutz verfügen, ist. Auch vergleichsweise „großen“ Konzernen können Fehler bei einer Kündigung unterlaufen.
Das Urteil ist bislang noch nicht veröffentlicht.
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